Mit dem Nachtwächter durch Bremen

7. Dezember 2019

Ganz schön laut, die Knarre! Aber laut sollte sie ja auch sein. Wenn der Nachtwächter seine Runde macht und irgendwo ein Feuer entdeckt, eine Straftat beobachtet oder ein sonstiges Problem erkennt, das er nicht alleine beheben kann, dann tritt die Knarre in Aktion und ruft die Bürger zu Hilfe. Solche und viele andere Geschichten aus dem 17. Jahrhundert erzählt Martin Gresselmeyer, der, als Nachtwächter aus jenen Tagen verkleidet und mit der Knarre und einer Hellebarde ausgestattet, durch die Innenstadt führt. Im Hafenrevue-Theater schauspielert er, macht neben der Nachtwächter-Tour noch andere Führungen wie zum Beispiel „Bremen ganz anders“. In Kürze wird er 1.100 Nachtwächter-Führungen gemacht haben, seit Oktober 2007 geht er mit den Gästen durch die versteckten Winkel Bremens. Heute aber hat die Selbsthilfegruppe Osteoporose Bremen-Nord e.V. die Nachtwächter-Tour gebucht. Bei den Stadtmusikanten geht es los. Bald ist die Gruppe im Stavendamm, dort, wo seinerzeit die Badestuben waren, wo in besonderen Stuben auch Bademägde ihre Dienste anboten.

Schnell geht es weiter in den Schnoor und in die Wüste Stätte, die ihren Namen wohl von einem großen Brand hat, bei dem alles verwüstet wurde. Hier gibt es noch viele Häuser, die auf die Jahre kurz nach 1800 zurückgehen. Feuergefahr: Das offene Feuer, mit dem in alten Tagen sowohl die Stuben erwärmt als auch gekocht wurde, war immer eine große Gefahr. Kam es zu einem Brand, so mussten alle Bürger mit anpacken. Ausgenommen wurden Kinder, Witwen und Gebrechliche. Da es auch damals schon Menschen gab, die die Not anderer ausnutzten und bei Bränden versuchten, im Durcheinander das eine oder andere wertvolle Stück aus den von den Helfern verlassenen Häusern zu stehlen, gab es Wachen, die Plünderungen verhinderten. Das waren ausgewählte Bürger, die mit einem Spieß ausgestattet waren – die Spießbürger. Weiter geht es vorbei an der Heini Holtenbeen-Statue Richtung Böttcherstraße, an deren Eingang Verbrecher an den Pranger gestellt wurden. Schwere Delikte wurden auch gerne mit dem Eintauchen in siedendes Öl oder mit dem Festbinden auf ein großes Rad und anschließendem Zertrümmern der Knochen geahndet. Lügnern wurde die Zunge auf ein Brett genagelt – wenn man bedenkt, dass es in unserer Zeit viele gibt, die sich die Zunge piercen lassen, kann es nicht so schlimm gewesen sein. Ehebrecher wurden ausgepeitscht, und für viele andere Straftaten hatte man sich andere „Nettigkeiten“ ausgedacht. Die Böttcherstraße, also die Straße der Fassmacher, wurde im Auftrag von Ludwig Roselius, der mit Kaffeehandel und vor allem auch durch die Entwicklung des koffeinfreien Kaffees ein Vermögen erworben hatte, umgestaltet. In der NS-Zeit wurden die Gebäude und ihre Ausschmückungen als entartete Kunst angesehen, es gab Forderungen nach Abriss. Die Kritiker ließen sich aber vom Relief „Lichtbringer“, das als „Sieg des Führers über die Mächte der Finsternis“ interpretiert wurde, davon abbringen. So kann die Gruppe die diversen Ausschmückungen bewundern, bevor es wieder zum Ausgangspunkt, zu den Stadtmusikanten geht, von wo aus die Heimreise angetreten wird.